Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922–1941
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Dokument Nr. 7
1. Die russlanddeutschen Geistlichen in der internationalen Diplomatie
Segreteria di Stato, Sezione per i Rapporti con gli Stati, Archivio Storico (S.RR.SS.),
Congregazione degli Affari Ecclesiastici Straordinari (AA.EE.SS.),
Russia (1922-1937),
Pos. 664 I P.O.,
Fasc. 62,
Fol. 25r-26r
Datum: 7. April 1931
Verfasser:
Richard Meyer, Auswärtiges Amt
Inhalt:
Der deutsche Gesandte Richard Meyer berichtet dem Reichstags-Abgeordneten Ludwig Kaas über ein Gespräch mit Litvinov, der wiederholt von deutschen Diplomaten auf die negative Rückwirkung der sowjetischen Religionsverfolgung bei evangelischen und katholischen Kreisen in Deutschland hingewiesen wird und darauf, dass sich ein milderes Vorgehen der sowjetischen Regierung gegenüber den Geistlichen „politisch in Deutschland bezahlt machen würde“. Litvinov stellt dem entgegen, die Geistlichen würden nicht wegen ihrer Tätigkeit, sondern wegen anderer Delikte verfolgt. Kaas wiederum leitet das Schreiben Meyers an die Kongregation für Auswärtige Angelegenheiten weiter.
Deutsche Botschaft Moskau
Moskau, den 7. April 1931
Vertraulich!
Sehr geehrter Herr Prälat,
In den letzten Tagen habe ich mehrfach Gelegenheit genommen, die Frage der Geistlichen hier eingehend zu besprechen. Ich habe vor allem mit dem Volkskommissar Litwinow über die Frage verhandelt und ihm auseinandergesetzt, welche unerfreulichen stimmungsmäßigen Rückwirkungen die Behandlung der Geistlichen durch die Sowjetregierung gleichmässig in katholischen wie protestantischen Kreisen auslöste. Ohne mich irgendwie in die innerpolitischen Verhältnisse Rußlands einmischen zu wollen, müßte ich mit Bedauern feststellen, daß die Maßnahmen gegen die Geistlichen die deutsch-russischen Beziehungen in ungünstiger Weise belasten. Litwinow, der diese Frage bereits verschiedentlich mit dem Herrn Botschafter von Dirksen besprochen hatte, war sich über die bedauerlichen Rückwirkungen völlig im Klaren, unterstrich aber die Schwierigkeiten, denen jede Aktion zu Gunsten von Sowjetbürgern – und dies seien ja doch die Geistlichen, wenn sie auch deutschstämmig wären – bei den inneren Behörden auslösten. Im übrigen sagte er, daß die Geistlichen nicht als solche verfolgt würden, sondern die Maßnahmen gegen sie nur darauf zurückzuführen seien, daß sie sich in irgendeiner Weise etwas haben zu Schulden kommen lassen. Ohne mich in eine Diskussion über Einzelheiten einzulassen, betonte ich, daß eine mildere Behandlung der Geistlichen, die doch für die Sowjetregierung nicht sonderlich schwer sein könne, sich zweifellos politisch in Deutschland bezahlt machen würde.
Ich habe in gleicher Weise mit dem Stellvertretenden Volkskommissar Krestinski und mit dem Departementsdirektor Boris Stein gesprochen. Herr von Dirksen hat meine Demarche bei Herrn Litwinow von sich aus unterstützt und ihm gegenüber betont, daß er ihn ja schon oft auf diese Sache aufmerksam gemacht hätte; er sähe nunmehr selbst, welche Bedeutung dieser Angelegenheit in Deutschland beigemessen werde.
Ob und in welcher Weise sich diese Demarchen auswirken werden, kann ich natürlich heute nicht übersehen. Ich möchte vor übertriebenen Hoffnungen warnen; denn die inneren Sowjetbehörden, sowohl hier in der Zentrale wie in den Provinzen, sind sehr unzugänglich und lassen sich vom Aussenkommissariat nur schwer etwas sagen. Die antireligiöse Kampagne ist zudem hier zurzeit sehr im Ansteigen begriffen.
Was die Möglichkeit einer Hilfsaktion für die einzelnen Geistlichen anbelangt, so kann ich mich heute darüber noch nicht äussern, und darf mir vorbehalten, Ihnen hierüber mündlich näheres mitzuteilen.
Die Besprechungen sind hier ausserordentlich interessant gewesen, und ich bin sehr froh, die persönliche Fühlungnahme mit den maßgebenden Leuten der Sowjetregierung aufgenommen zu haben, ganz abgesehen von dem instruktiven Bild, das Stadt und Leben hier gewähren.
Mit den angelegentlichsten Empfehlungen bin ich
Ihr sehr ergebener
Richard Meyer
Empfohlene Zitierweise:
Dokument Nr. 7, in:
Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922-1941. Quellen-Datenbank.
Hrsg. von Katrin Boeckh und Emília Hrabovec. URL:
http://www.konnetz.ios-regensburg.de/dokumenteview.php?ID=7
, abgerufen am: 21.11.2024.
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