Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922–1941

Quellen-Datenbank

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Dokument Nr. 35

4. Die große Hungersnot 1932/33

Segreteria di Stato, Sezione per i Rapporti con gli Stati, Archivio Storico (S.RR.SS.),
Congregazione degli Affari Ecclesiastici Straordinari (AA.EE.SS.),
Pro Russia (1924-1935),
Pos. Scat. 28,
Fasc. 185,
Fol. 20r-21r

Datum: nach Sommer 1932
Verfasser: Hermann
Inhalt: Ein dem Heiligen Stuhl vorliegender Bericht, verfasst nach 1932 von dem Priester Hermann aus Saratov, über die Flucht von Katholiken aus der Wolgarepubllik vor der Hungersnot und die Schließung von katholischen Kirchen.

[handschriftlich von Michel d’Herbigny:] Copia del Documento scritto il 28 Sett. Dal Sac. Hermann, di Saratov a ricevuto il 17 ottobre.
 
Laut letzter Volkszählung von 1930 sind an der Wolga 84.000 Catholiken. Im Herbst 1931 zogen aus der Wolgarepublik wegen Hunger u. Elend 45.000 Catholiken nach allen Gegenden Rettung suchend vorzüglich nach Baku, Rostow, Tiflis u. Taschkent, manche catholische Dörfer z. Beispiel Gottung, Obermonhou [Obermonjour], Herzog blieben nur 25 % der Gesamtbevölkerung zurück und 75 % floh Rettung suchend. Im Frühjahre 1932 kamen (dazu auch den Sommer 1932 gerechnet), kamen [sic!] ein Teil der geflohenen Catholischen Bevölkerung zurück, so dass wir wiederum im Herbste kühn in der Wolgarepublik 60 bis 61.000 Catholiken haben. In der allerletzten Zeit verstärkt sich das Prozent der Heimatverlasser, die jedermann offen sagen: verhungern wollen wir nicht, denn wir durften nicht ernten, es bleibt nichts übrig, als sein Brot in der Welt zu suchen. Die geistliche Versorgung dieser Catholiken in der Wolgarepublik wird von 5 Patres vorgenommen, so gut es eben gehen kann. P. Hermann vesehet die Catholiken Saratows, Pokrowsk, Marxstadt, Obermonjour, Luzern, Gottung, Schönchen, Solothurn; P. Bader: Louis, Rohleder, Graf, Herzog, Liebental, Marienburg und Umgegend; P. Dietrich: Preuss, Hölzel, Seelmann, Neukolonie, Besuk, Strekerau; P. Brungardt: Hildmann, Kamenka, Husaren, Göbel, Semenowka, Köhler; P. Al. Staub versorgt: Seewald, Rothammel, Schuk, Degott [handschriftlich eingefügt] Husaren, Pfeiffer. Kirche[n] sind folgende geschlossen: die Cathedrale zu Saratow (jedoch die Gläubigen von Saratow beklagten den Saratower Stadtrat in Moskau u. die Regierung von Moskau entschied: Die Saratower katholische Kirche ist den Gläubigen einstweilen zurückzugeben bis Moskau die Angelegenheit näher untersucht hat. Die Unterhaltung der Cathedralkirche mit allen Regierungsauflagen steigt bis 5, ja 6000 Rbl. das Jahr, was die Gläubigen nicht im Stande sind zu decken, weshalb die Cathedrale aus den Mitteln der hiesigen Catholiken nicht lange gehalten werden kann). Die Kirche[n] von Kamenka, Strekerau, Brabander, Stalingrad, Astrachan sind geschlossen. Abgesehen davon, dass grosser Mangel an Lebensprodukten in der Wolgarepublik die Catholiken zum fliehen zwingt, ist der Mangel an Wohnung sehr fühlbar auf Dorf u. Stadt, denn die Wohnungen auf den Dörfern, die den Flüchtlingen gehörten, wurden von den Gebliebenen benützt, vielfach verbrannt im Winter, die Fenster u. Kesseln verkauft. Die Katholiken gehen fleissiger in die Kirche, leider sind sie ausser stand gesetzt die hohen Auflage[n] auf dieselbe zu decken u. es ist zu befürchten, dass ihre Kirchen geschlossen werden, weshalb man bestrebt ist wenigstens die Cathedrale zu retten mit der letzten Kopeka. Der Glaube unter Catholiken wird mit jeder Minute stärker, man gibt für ihn Alles.

Empfohlene Zitierweise:
Dokument Nr. 35, in: Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922-1941. Quellen-Datenbank. Hrsg. von Katrin Boeckh und Emília Hrabovec. URL: http://www.konnetz.ios-regensburg.de/dokumenteview.php?ID=35, abgerufen am: 27.07.2024.
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