Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922–1941

Quellen-Datenbank

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Dokument Nr. 63

5. Hilfsdiplomatie, Kommunikationswege und Vermittler

Erzbischöfliches Archiv München (EAM),
Bestand: NL Faulhaber,
Signatur: 9780

Datum: 4. Februar 1935 (mit Bezug auf Schreiben vom 15. Januar 1935, 5. Februar 1935 und 21. Mai 1935)
Verfasser: F. Müller
Empfänger: Kardinal Faulhaber
Inhalt: Der Direktor des katholischen Caritasverbandes der Erzdiözese München-Freising bittet Kardinal Faulhaber um Hilfe dabei, die Vollstreckung des Todesurteils, das ein sowjetisches Schaugericht über den Katholiken Röhrich verhängt hat, zu verhindern. Anbei Briefe von Röhrich und seiner Familie sowie Übersetzungen sowjetischer Zeitungsartikel.

Kath. Caritasverband der Erzdiözese München-Freising
München, den 4. Februar 1935
 
Hochwürdigster Herr Kardinal!
 
Euere Eminenz
 
erlaube ich mir um Ihre gütige Intervention entweder bei der Russischen Botschaft in Berlin oder direkt bei der Sowjetregierung in Moskau zugunsten eines zum Tode verurteilten Katholiken in der Deutschen Kolonie Strassburg in Südrussland zu bitten.
Wie ich aus Berlin nach einem Bericht des Deutschen Konsulates in Odessa erfuhr, wurde Herr Michael R ö h r i c h, dem am 4. Januar 1934 auf dem Torgsinwege 8.- in meinem Namen als Hilfe überwiesen und im März, April und Mai 1934 weitere Liebesgaben gesandt wurden, deshalb zum Tode verurteilt. Röhrich ist Vater von sieben Kindern. Seine Frau wurde zu 7½ Jahren Gefängnis verurteilt. Alles aus dem gleichen Grunde.
Nach Mitteilungen des Deutschen Caritasverbandes in Berlin ist eine Intervention der Deutschen Regierung zur Zeit mindestens erfolglos, dasselbe nimmt man von einem Dazwischentreten seitens des Heiligen Stuhles an. Dagegen glaubt man in Berlin, dass Eure Eminenz keinesfalls mit der derzeitigen Reichsregierung identifiziert werden, so wenig wie man Ihnen als dem Diözesanbischof des Priesters, in dessen Namen das Paket abgesandt wurde, das Recht absprechen kann, für Röhrich zu intervenieren, denn es war ja die Liebestat Ihres Diözesanpriesters, welche Röhrich in den Tod brachte. Vielleicht ist es doch möglich, den sieben Kindern ihren Vater zu erhalten, zumal ja auch gleichzeitig die Russische Regierung aus Devisengründen an der Fortsetzung der Liebesgaben interessiert ist. Das Gericht, vor welches Röhrich gestellt wurde, war ohnedies ein Schaugericht. Aus den zur Illustration beiliegenden Abschriften aus Zeitungsberichten geht der politische Charakter des Urteils klar hervor. Es wäre somit der russischen Regierung auch eine politisch begründete Begnadigung möglich.
Nach Bericht des Herrn Prälat Wienken aus Berlin ist das Auswärtige Amt an der Rettung des Herrn Röhrich durch eine ausserhalb der Regierung stehende Persönlichkeit interessiert.
 
Indem ich Eurer Eminenz diese Bitte unterbreite, erlaube ich mir zu verbleiben
Eurer Eminenz
in verehrungsvoller Hochachtung ergebener
 
F. Müller
Direktor
 
Beilagen:
  • Briefe des Herrn Röhrich
  • Bericht des Deutschen Konsulates Odessa (vertraulich)
  • Übersetzungen russischer Zeitungsmeldungen
 
[Beilagen: zwei abgetippte Bittbriefe]
 
Zwei Bittbriefe und eine Bestätigungskarte der Maria  R ö h r i c h  (Tochter des Michael Röhrich)
 
An die Katholische Mission in Perlin [Berlin].  
 
Grüss Gott.
 
Ich Maria von Michael Röhrich bin sehr Arm und Verlasen und Obtachlos weis nicht woh hin heute da und Morgen dort und keine hilfe auf keine Seite tete die Verwaltung biten um hilfe des besten dank zum voraus.
Meine Adresa.
 
Es folgt Name und Adresse in russischer Sprache.
 
 
 
Deutschland Berlin Nr. 24
 
Grüss Gott
 
Ich bin erst 15 Jahre alt mein grösstes vergnügen wär noch in der schule da aber die Zeit bei uns so schwer ist die Famile besteht aus 8 Menschen mein Vater war nicht im Stande für 8 Menschen die nedige Lebensmittel aufzubringen und von keiner seite ist keine understüzung da so musste ich nun die schule verlassen und auf die Arbeit gehen damit es dem Vater leichter wurde wir sehen aber das wir das Leben nicht durch bringen die Mutter leitet grosse Schmerzen an Reimatismuss und kann nicht Arbeiten so bin ich doch gezwungen meine bitte an die Verwaldung des genanden Hilfskommite zu rufen um mir eine kleine Hilfe zu zu schicken ich erwarde eine erfreuliche Nachricht den besten Dank zum Voraus zu richten nach folgender attressa.
Ukraine Postation Selz
Kolonie Strassburg
Maria von M. Rerich
(Selbst bin ich katolisch)
 
11/XI 33 Jahre
 
 
 
Bittbrief und Bestätigungskarte der Magdalena Iwanowna Röhrich (Frau des Michael Röhrich)
 
An die Katholische Mision in Perlin [Berlin]
Ih Margarena Pepux von Joha. bin eine Familien fon 10 Menschen bin sehr Arm und habe keine hilfe fon keiner seit so dete ich biten um eine gleiche Unterschtitzung
selbst Katolisch
 
Es folgt Name und Adresse in russischer Sprache
 
 
 
Bitt- und Dankbrief des Michel  R ö h r i c h .
 
An die Katholische Mision in Perlin [Berlin]
Ich Michael Röhrich von Matheas Geboren in Strassburg 43 Jahre Alt bin nicht Recht Gesund ich kan nicht Schwehr Arbeiten so das ich Meine Familien von 10 Menschen nicht Weis durch zu bringen So tete ich bitten um eine Kleine Unterstitzung den besten Dang zum Voraus
Meine Adresa
 
Es folgt Name und Adresse in russischer Sprache
 
 
 
An die Katholische Mission in Perlin [Berlin].
Grüs Gott.
Ich Michael Röhrich von Mathias habe erhalten 8 Mark bin sehr dank bar und tete weiter biten wen möglich.
Dorf Strasburg
Bost Selz
Michael isen Mathias Röhrich.

Empfohlene Zitierweise:
Dokument Nr. 63, in: Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922-1941. Quellen-Datenbank. Hrsg. von Katrin Boeckh und Emília Hrabovec. URL: http://www.konnetz.ios-regensburg.de/dokumenteview.php?ID=63, abgerufen am: 15.11.2024.
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