Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922–1941

Quellen-Datenbank

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Dokument Nr. 61

5. Hilfsdiplomatie, Kommunikationswege und Vermittler

Erzbischöfliches Archiv München (EAM),
Bestand: NL Faulhaber,
Signatur: 9780

Datum: 17. Januar 1935
Verfasser: Minder
Inhalt: Zeitungsbericht vom Januar 1935 der Deutschen Zentralzeitung in Moskau über deutsche Hilfsmaßnahmen in der Sowjetunion, die als „Blutgeld“ von den Kollektivbauern entrüstet zurückgewiesen würden.

Deutsche Zentralzeitung, Moskau.
17.1.1935
Nr. 15
 
Protestwelle gegen die Provokationen.
Einmütig wird das Blutgeld zurückgewiesen.
 
Seit Jahr und Tag schicken deutsche Faschisten, die nur mit blutigsten Terror und abgefeimdester [abgefeimtester] Demagogie die hungernden Massen „beruhigen“ können, Gelder in die deutschen Sowjetdörfern. Sie schreien heuchlerisch über „Brüder in Not“, um damit das Murren der Hungernden im eigenen Land zu übertönen.
Aber das Echo, das ihnen auf ihre Geldsendungen entgegenschallt, ist anders als sie es erwartet haben. Es zeigt, dass die Kollektivisten die wahren Absichten der Faschisten erkennen, dass sie sich nicht kaufen lassen.
Immer und immer wieder schreiben Kollektivisten, Frauen und Männer, ja auch Schulkinder, dass sie das von den Faschisten erhaltene Geld mit Entrüstung zurückweisen, es der MOPR zur Unterstützung der Opfer des faschistischen Terrors überweisen.
In den Kollektivwirtschaften im Arbeitsbereich der MTS Landau (Rayon Karl Liebknecht, Odessaergebiet), wurde der MOPR ebenfalls Geld überwiesen. Die Kollektivisten fordern energisch die Einstellung dieser faschistischen Provokation.
Das Kollektiv „Ernst Thälmann“ im selben Rayon hat sich in einem Schreiben an die MOPR bereit erklärt, 15-20 Waisenkinder von Opfern des faschistischen Terrors aufzunehmen und zu erziehen.
Oft genug haben die Kulaken und Pfaffen die Unwissenheit mancher Kollektivisten ausgenützt und ihnen ihr Einverständnis abgenötigt, um einen „Hungerbrief“ nach Deutschland zu schreiben, und oft genug haben sie Adressen der Kollektivisten den faschistischen Organisationen mitgeteilt, um sie zu bestechen, sie von der Arbeit abzuhalten, die Arbeitsdisziplin des Kollektivs zu sprengen. Mit Entrüstung haben alle diese Kollektivisten das Geld zurückgewiesen, wenn sie über seine Herkunft und seinen Zweck unterrichtet wurden.
So schreibt die Kollektivistin Ida Schmidt aus dem Kollektiv „Kossarew“ (MTS Kurmansk) in der Krim:
In folge meiner Urkenntnis geriet ich unter den Einfluss eines dieser sowjetfeindlichen Agitatoren. Man schrieb in meinem Namen nach Deutschland und jetzt vor kurzem habe ich 8 Mark geschickt erhalten. Diese Hilfe brauche ich durchaus nicht, da ich genügend Brot habe, eine Kuh und was ich sonst alles zum Leben brauche. Wenn notwendig können wir auch unsere Genossen in den kapitalistischen Ländern unterstützen.
Vor wenigen Wochen konnte im Rayon Karl Liebknecht ein Subjekt entlarvt werden, das sich ausschliesslich mit der Organisierung der faschistischen Agitation befasste und Adressen von Kollektivsten nach Deutschland schickte, die ein begütertes Leben führen und für den Faschismus nur ehrlichen Hass übrig haben.
Die Kollektivisten vom Kollektiv „Krupskaja“ in Grünfeld im selben Rayon schreiben:
„Wir als ehemals landlose oder arme Bauern, die dank der siegreichen Oktoberrevolution Freiheit, Land und Maschinen erhielten, wollen mit dem blutbefleckten Faschismus nichts gemeinsam haben. Die faschistischen Blutgelder, die einige Genossen aus unserem Kollektiv erhalten haben, übergeben wir der MOPR zur Unterstützung der Opfer des Faschismus.
Wir verlangen die Einstellung dieser faschistischen Provokation und erklären mit aller Entschiedenheit: Wir brauchen diese faschistische „Hilfe“ nicht.
„Wir brauchen keine faschistische „Hilfe“! Wir protestieren gegen diese Provokation!“ Das kehrt in allen Briefen wieder, das ist die Antwort welche die Faschisten wahrscheinlich nicht erwartet haben.
Umsonst bemühen sie sich, die Front der deutschen Kollektivbauern, die im Bunde mit allen den anderen befreiten Nationen ihre nationale Kultur entfalten können, zu zersetzen. Das Bestechungsgeld kehrt wieder zurück. Allerdings nicht in die Kassen der Faschisten, sondern in die Kasse der illegalen roten Hilfe in Deutschland zur Linderung der den gefangenen Revolutionären und ihren Angehörigen zugefügten Wunden.
 
Minder.
 

Empfohlene Zitierweise:
Dokument Nr. 61, in: Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922-1941. Quellen-Datenbank. Hrsg. von Katrin Boeckh und Emília Hrabovec. URL: http://www.konnetz.ios-regensburg.de/dokumenteview.php?ID=61, abgerufen am: 27.07.2024.
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