Dokument Nr. 3
Abschrift.
Berlin, den 13. Juni 1923.
Sehr verehrter lieber Monsignore!
Nehmen Sie schönsten Dank für die freundlichen Ausführungen in Ihrem Briefe vom 18. v. M. [vorigen Monats]. Ich habe sie mit großem Interesse gelesen und werde die darin gegebenen Anregungen sorgfältig weiter verfolgen.
In diesen Tagen sprach mir der hiesige russische Geschäftsträger davon, daß Professor Walsh bei der Regierung in Moskau angefragt habe, ob nicht der zu zehnjähriger Freiheitsstrafe verurteilte Erzbischof Cieplak begnadigt werden könne. Die Sowjetregierung habe Walsh geantwortet, es werde sich darüber reden lassen, falls Rußland hinsichtlich der in anderen Ländern gefangen gehaltenen Kommunisten irgendwie ein gleiches Entgegenkommen fände. Bei Erörterung der in Betracht kommenden Möglichkeiten wies der russische Geschäftsführer auf die in Bayern in Haft gehaltenen Kommunisten hin und fragte mich, ob ich nicht geneigt sein würde, für deren Befreiung mich einzusetzen, wenn dadurch die Möglichkeit der Freilassung Cieplaks geschaffen werde.
Ich habe dem Geschäftsträger nicht verhehlt, daß mir der Gedanke, den Erzbischof Cieplak auf die angedeutete Weise die Freiheit zurückzugeben, an sich sehr sympathisch sei, daß ich für meinen Teil mich aber ganz außerstande sehe, auf die Bayerische Regierung in dieser Richtung einzuwirken. Ein derartiger Vorschlag könne vielmehr nur von der Kurie direkt an Bayern gebracht werden.
Ich wollte es nicht unterlassen, Ihnen von dieser Besprechung Mitteilung zu machen, und ich bitte Sie, auch Herrn von Bergen davon in Kenntnis zu setzen, damit Sie dort auf dem Laufenden sind, wenn die erwähnte Anregung aus Rußland an den Vatikan gelangt.
Eben erhalte ich auch Ihren weiteren freundlichen Brief vom 30. v. Mts. [vorigen Monats], für den ich Ihnen ebenfalls meinen besten Dank sage. Das Telegramm an Professor Walsh habe ich sofort weiterleiten lassen. Das Promemoria wegen der Verfolgung der frommen Damen in Rußland werde ich mit dem nächsten Kurier an unseren Botschafter in Moskau gelangen lassen und ihn bitten, die Angelegenheit mit größtem Wohlwollen und eingehendster Aufmerksamkeit zu verfolgen.
Die Nachricht, daß Krassin zum Nachfolger für Worowski in Rom ausersehen sei, scheint sich nicht zu bewahrheiten. Ich habe im Gegenteil gehört, daß mein persönlicher Freund Victor Kopp dafür ausersehen sei. Falls dieser tatsächlich ernannt werden sollte, werde ich selbstverständlich nicht versäumen, dafür zu sorgen, daß er mit Ihnen Verbindung aufnimmt.
Mit besten Grüßen, auch an Herrn von Bergen, bin ich Ihr sehr ergebener
Maltzan.