Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922–1941

Quellen-Datenbank

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Dokument Nr. 34

4. Die große Hungersnot 1932/33

Archiv des Deutschen Caritasverbandes e. V. (ADCV),
R 681,
Fasz. 01

Datum: 6. August 1924
Verfasser: Heinrich Wienken
Empfänger: Caritasverband, Zentrale
Inhalt: Divergenzen innerhalb der Fürsorgestelle für Russland wurden 1924 behoben. Spenden des Heiligen Vaters zur Fürsorge für die Katholiken in Russland werden künftig über die Caritas verschickt, da die Päpstliche Mission die Sowjetunion verlassen hat.
Betreff: „Kath. Fürsorge für Russland“

Deutscher Caritasverband
Hauptvertretung Berlin
Berlin, den 6. August 1924
 
An die Zentrale des Deutschen Caritasverbandes
Freiburg / Br.
 
Betr.: „Kath. Fürsorge für Russland“.
 
Wir haben in den letzten Tagen in der kath. Fürsorge für Russland ausführliche Verhandlungen gehabt bezgl. einer Umorganisation der Fürsorgestelle. Bisher bestand ein Ausschuss, in dem der Bischof den Vorsitz führte. Als Beisitzer waren seinerzeit gewählt Pfarrer Maier und ich. Die Geschäfte der kath. Fürsorge für Russland führte ein Vorstand, der aus vier Personen, zwei aus dem Wolgagebiet und zwei aus dem Schwarzmeergebiet, bestand. Dieser Vorstand hat selbstständig gearbeitet und hat sich selten um den Ausschuss gekümmert. Hinter dem Rücken des Ausschusses hat sich die kath. Fürsorge für Russland beim hiesigen Amtsgerichte ins Vereinsregister eintragen lassen. Im Vorstand selbst waren starke Differenzen zwischen den Persönlichkeiten, die aus dem Schwarzmeergebiet und aus dem Wolgagebiet stammen. Zugleich hatten sich auch Differenzen zwischen dem Vorstand und dem Hochwürdigsten Herrn Bischof eingestellt. Hinzukam noch, dass Pfarrer  K a p p e s  aus dem Wolgagebiet vor einiger Zeit nach Berlin kam. Er ist mit Monsignore  G l a s e r  in Rom beim Heiligen Vater gewesen und hat ihm über die Zustände in Russland ausführlich Bericht erstattet. Der Heilige Vater hat dann der hiesigen Fürsorgestelle einen Betrag von 300 000 Lire überwiesen zur Weiterleitung nach Russland. Das Geld war geschickt an den Hochwürdigsten Herrn Bischof. Die Fürsorgestelle bezw. der Vorstand wollte das Geld verteilen. Die Zustände in der kath. Fürsorge für Russland waren unhaltbar geworden.
Nach den Verhandlungen ist die Fürsorgestelle nun so organisiert, dass der Bischof den Vorsitz führt. Ihm zur Seite stehen Pfarrer Maier und ich. Geschäftsführer der Fürsorgestelle ist Pater Kappes. Die anderen Herrn, die früher den Vorstand gebildet haben, sind dem Pater Kappes unterstellt und haben nach seiner Weisung zu arbeiten. Ich hoffe, dass durch diese Art und Weise die Fürsorgestelle in Zukunft erspriesslicher arbeiten wird. Es steht zu erwarten, dass ihr grosse Ausführungen übertragen werden. Wie auch dort bekannt sein wird, ist die Päpstliche Mission aus Russland fortgegangen. Bereits vor einer Woche kam ein Mitglied der Päpstlichen Mission, Pater Freikus, auf seiner Reise nach Rom durch Berlin. Gestern ist wieder ein anderer Pater in Berlin angekommen. Der Leiter der Päpstlichen Mission, Pater Gehrmann, wird in diesen Tagen in Berlin erwartet. Der Papst wird, wie er Pater Kappes versprochen hat, die Hilfe, die er in Zukunft Russland zukommen lassen wird, durch den Caritasverband bezw. durch die kath. Fürsorge für Russland leiten lassen. Er hat in der Audienz besonders betont, dass er zum Deutschen Caritasverband (sein) volles Vertrauen hatte, und wenn er wieder der kath. Fürsorge für Russland beistände, so läge es ganz in seinem Sinne, dass die Hilfe, die er Russland auch noch weiter zu bringen wünsche, auch durch diese Stelle geleitet werde. Der Betrag von 300 000 Lire ist bereits auf dem Wege nach Russland. Das Geld wird zunächst mit einem Kurier an die Deutsche Botschaft nach Moskau geleitet. Von dort aus wird es durch geeignete Vertreter aus dem Schwarzmeer- und Wolgagebiet abgeholt und dann an die Bedürftigen verteilt.
Dieser Weg war bisher gangbar und sicher. Hoffentlich wird er auch in Zukunft so bleiben. Der Heilige Vater hat versprochen, dass er jede notwendige Summe Geldes zur Verfügung stellen werden; wenn dann noch in Zukunft die Hilfe, die der Internationale Caritasverband geben will, hinzukommt, so wird es möglich sein, die schlimmsten Notstände bei den Katholiken in der Diözese Tiraspol zu beheben.
Die kath. Fürsorge für Russland ist seit dem 1. ds. Mts. [diesen Monats] nicht mehr im Hedwigs-Krankenhaus, sondern hat neue Büroräume in der Grossen Präsidentenstr. 8 gemietet. Die Anschrift lautet: Berlin C. 2, Grosse Präsidentenstr. 8, Telefon Norden 12 354.
 
Mit freundlichem Caritasgruss
 
gez. Wienken
Direktor.

Empfohlene Zitierweise:
Dokument Nr. 34, in: Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922-1941. Quellen-Datenbank. Hrsg. von Katrin Boeckh und Emília Hrabovec. URL: http://www.konnetz.ios-regensburg.de/dokumenteview.php?ID=34, abgerufen am: 28.03.2024.
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