Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922–1941

Quellen-Datenbank

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Konfessionelle Netzwerke der Deutschen in Russland 1922–1941

Quellen-Datenbank
[KonNetz]

 

Hrsg. von Katrin Boeckh und Emília Hrabovec
unter Mitarbeit von Steffi Keil.

 

Einleitung

Die vorliegende Aktenedition zielt darauf ab, Einblicke in jene Netzwerke zu bieten, die in der Zwischenkriegszeit sowohl von Russlanddeutschen wie auch von anderen Akteuren unterhalten wurden. Im Vordergrund stehen hier offizielle, offiziöse und inoffizielle sowie illegale Verbindungen, die auf der gemeinsamen Grundlage der Konfession ruhten, und dies im Kontext der sowjetischen Religionsrepression, die seit der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ Anwendung fand.
In vielen der hier insgesamt 100 zusammengebrachten historischen Quellen wird sichtbar, dass die Geschichte der Russlanddeutschen in einem europäischen Kontext begriffen werden muss, denn diese Netzwerke reichten von der östlichsten Grenze der Sowjetunion in die westlichen Hauptstädte hinein. Allerdings war dies den betroffenen Russlanddeutschen in ihrer Zeit nicht immer bewusst und konnte es auch nicht sein, denn die Möglichkeiten der Kommunikation innerhalb der Sowjetunion waren beschränkt und wurden staatlich zensiert, sobald sie die Landesgrenzen überschritten. Doch auch in diesem Aspekt zeigt sich, dass die Zeitgenossen die Möglichkeiten, die sich ihnen boten, ausschöpften: entweder durch persönliche Begegnungen, bei allen Mobilitätsbeschränkungen, oder durch Vertrauensleute, die Kurierdienste übernahmen. Somit erschließen sich über die eigentliche Thematik hinausgehend auch Handlungsräume und -mechanismen, die allen Sowjetbürgern zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg durch Geheimkontakte und inoffizielle Übermittlungswege zur Verfügung standen, obwohl die allgemeine Situation hinsichtlich Transfer und Kommunikation von Zensur, Personenüberwachung und Mobilitätsbeschränkungen sowie geschlossenen Außengrenzen geprägt war.
Mehrere Akteursebenen bestimmen das historische Geschehen: diplomatische Repräsentanten im Dienste der UdSSR, des Deutschen Reichs, des Vatikans sowie Polens, karitative Vereinigungen wie Caritas und „Brüder in Not“ im Deutschen Reich, kirchliche Vertreter: katholische und protestantische Priester vor Ort in den Gemeinden oder in Lagern und Gefängnissen, Bischöfe, Papst Pius XI. (1857-1939) sowie hier auch namentlich benannte Laien, die ebenfalls in die Mühlen der staatlichen Religionsverfolgung gerieten, einzig weil sie sich religiös betätigten. Ihr aller gemeinsamer Anliegen bestand darin, der staatlichen Verfolgung -- wenn es schon nicht möglich war, sie zu stoppen -- wenigstens entgegenzuwirken: durch die Weitergabe von Informationen über das Schicksal verhafteter Geistlicher oder Laien, durch die Geldsammlung zugunsten Verfolgter und Hungernder, durch materielle Zuwendungen, durch die Herstellung von Kontakten und ähnliches. Das Leben vieler Inhaftierter (auch für den 1926 geheim geweihten russlanddeutschen Bischof Alexander Frison) endete jedoch mit dem Jahr 1937, das den Höhepunkt der Stalinschen Verfolgung markierte – allerdings nicht das Ende der konfessionellen Netzwerke in der Sowjetunion.

Die Edition soll insgesamt diplomatiegeschichtliche und konfessionell-kulturelle Aspekte der deutschen, der russischen und der russlanddeutschen Geschichte und deren Beziehungen in den 1920er und 30er Jahren miteinander verflechten. Die historischen Quellen gruppieren sich dabei um die folgenden Handlungsfelder, die sich als relevant für das kirchliche Leben der Russlanddeutschen und den Bestand ihrer Gemeinschaft herauskristallisierten:

I
Die Russlanddeutschen in der internationalen Diplomatie
II
Die kirchlich-jurisdiktionelle Neuordnung bei den Katholiken in Sowjetrussland/der Sowjetunion 1917-1926
III
Die Administration der evangelischen Kirche
IV
Die große Hungersnot 1932/33
V
Hilfsdiplomatie, Kommunikationswege und Vermittler
VI
Repressionen
VII
Leben bis zum Tod: Frison und andere deutsche Geistliche in den Mühlen des Terrors

 

Die für die Edition herangezogenen Materialien entstammen folgenden Archiven (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Archiv des Deutschen Caritasverbandes e. V. (ADCV), Freiburg.
  • Archiv des Erzbistums München und Freising, München.
  • Archiwum Akt Nowych (AAN), Warszawa.
  • Segreteria di Stato, Sezione per i Rapporti con gli Stati, Archivio Storico (S.RR.SS.), Congregazione degli Affari Ecclesiastici Straordinari (AA.EE.SS.), Città del Vaticano.
  • Evangelisches Zentralarchiv (EZA), Berlin.
  • Gosudarstvennyj archiv Rossijskoj Federacii (GA RF), Moskau.
  • Politisches Archiv des Auswärtigen Amts (PA AA), Berlin.

 

Katrin Boeckh

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